Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht enthält im Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht einige Besonderheiten, die insbesondere im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt sind. Der wohl entscheidende Kern des Jugendverfahrens besteht darin, dass pädagogische Erwägungen statt reiner Bestrafung im Vordergrund stehen. Ein solches Verfahren soll für den Jugendlichen bzw. Heranwachsenden vor allem erzieherisch wirken, sodass in erster Linie Erziehungsmaßregeln (Weisungen oder Anordnungen, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen) oder bei einer Verurteilung sog. "Zuchtmittel" (Verwarnung, Auflagen und/oder Jugendarrest) in Betracht kommen und eine Jugendstrafe nur im Ausnahmefall (bei der Feststellung "schädlicher Neigungen" oder wegen der "Schwere der Schuld") verhängt wird. So soll verhindert werden, dass sich bei einem Menschen, der schon in jungen Jahren straffällig wird, ein solches Verhaltensmuster auch im späteren Verlauf seiner Entwicklung manifestiert.
Es besteht - insbesondere bei geringfügigen Verfehlungen - aber auch die Möglichkeit, von der Verfolgung abzusehen (§ 45 JGG). Das hat vor allem den Zweck, dass man hierbei für den Jugendlichen vermeiden will, ihn durch eine Anklage und ein Auftreten vor Gericht schon in jungen Jahren als einen "Straftäter" zu stigmatisieren. Doch selbst nach Anklage hat das Gericht gemäß § 47 JGG noch die Möglichkeit, das Verfahren (ohne Gerichtsverhandlung) einzustellen. Für die §§ 45, 47 JGG ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass diese ins Bundeszentralregister (hier: Erziehungsregister oder auch Jugendregister genannt) eingetragen werden. Denn hierbei handelt es sich jeweils um Verfahrensbeendigungen trotz eines hinreichenden Tatverdachts beim Jugendlichen bzw. Heranwachsenden, weshalb für zukünftige Verfahren auch solche Verfahrensabschlüsse von Relevanz sind. Nur bei Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts werden eine Einstellung (die dann nach § 170 II StPO erfolgen muss) oder ein aus diesem Grund erfolgter Freispruch nicht ins Erziehungsregister eingetragen.
Weisungen i.S.d. § 10 JGG sind Gebote und Verbote, die die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. In § 10 I 3 JGG sind einige vorrangige - jedoch nicht abschließende - Beispiele genannt (z.B. die Aufnahme einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle, Erbringung von Arbeitsleistungen oder die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs).
Als Auflagen wiederum kommen die vier in § 15 I 1 JGG genannten Varianten in Betracht (Schadenswiedergutmachung, persönliche Entschuldigung beim Verletzten, Erbringung von Arbeitsstunden oder die Zahlung einer Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung). Hierbei dürfen allerdings keine unzumutbaren Anforderungen an den Jugendlichen gestellt werden.
Zu beachten ist, dass Maßnahmen und Jugendstrafe nach Maßgabe von § 8 JGG auch verbunden werden können. Dies schließt beispielsweise auch die Möglichkeit der Verhängung mehrerer Zuchtmittel nebeneinander, also etwa zusätzlich zu einer Verwarnung auch noch Auflagen, ein. Ziel hiervon ist letztendlich immer der Erziehungsgedanke, indem dem Jugendlichen bzw. Heranwachsenden mit einer notwendigen, aber zugleich ausreichenden Art und Anzahl an Sanktionen die Konsequenzen seines Handelns aufgezeigt wird.
Oftmals werden die Beschuldigten im Laufe eines solchen Verfahrens zu Gesprächen mit der Jugendgerichtshilfe eingeladen. Dies kann vor allem für die Beurteilung der persönlichen und charakterlichen Entwicklung sinnvoll sein, doch sollten auch derartige Schritte nie ohne Rücksprache mit dem Verteidiger getätigt werden. Es ist diesbezüglich zu betonen, dass ein Jugendlicher, der sich der Jugendgerichtshilfe anvertraut, Gefahr läuft, unüberlegt Angaben zur Sache, also der konkreten Straftat, zu machen. Da die Jugendgerichtshilfe nicht unter Schweigepflicht steht, können und werden Angaben zur Sache, die der Jugendliche bzw. Heranwachsende ihr gegenüber tätigt, im Verfahren von dieser vorgetragen. Es ist also ganz entscheidend, mit dem Verteidiger zuvor zu besprechen, ob es eine Einlassung zur Sache geben soll oder sich die Gespräche mit der Jugendgerichtshilfe nicht besser auf Angaben zur persönlichen Situation beschränken sollen.
Das Jugendverfahren ist auch deshalb brisant, weil der Jugendliche nicht nur dem Vorwurf einer Straftat, sondern oft auch der Enttäuschung seiner Eltern bzw. Erziehungsberechtigten ausgesetzt ist. Hier muss man als Verteidiger also insbesondere vor Augen haben, dass der eigene Mandant womöglich unter großem familiären Druck steht oder sich gar schämt, die Wahrheit zu sagen, in der Furcht, im Ansehen seiner Eltern oder anderen Familienangehörigen sinken zu können.
Ab dem Strafmündigkeitsalter von 14 bis unter 18 gilt man als Jugendlicher, zwischen 18 und unter 21 als Heranwachsender. Während für einen Jugendlichen zwingend Jugendstrafrecht anzuwenden ist, ist bei einem Heranwachsenden die Frage, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, davon abhängig, ob er in einer Gesamtschau des persönlichen und charakterlichen Reifegrads eher einem Jugendlichen oder Erwachsenen gleichsteht.